Russische Meisterfälscher lieben
Großräschen
Heiliger Michael als Zuwachs fürs
Fälschermuseum im Seehotel / Fernsehteam begleitet Gebrüder Posin
Ihre Bilder hängen in der ganzen Welt: in Amerika, Japan, Australien und China.
Da passt Großräschen eigentlich nicht rein und fällt aus dem Rahmen. Das
Kleinstädtchen mit nicht mal mehr 10 000 Einwohnern zieht das berühmte
Fälschertrio dennoch magisch an. Denn aus Großräschen stammt einer ihrer größten
Bewunderer und Verehrer: der Hotelier, Unternehmer und leidenschaftliche
Kunstsammler Gerold Schellstede.
Er hat den drei Kunstfälschern im Seehotel am Rande des sich füllenden
Großräschener Sees ein eigenes Museum eingerichtet. Alle 153 Bilder, die dort
hängen, haben die Posins gemalt. Die Entstehungsgeschichte des Heiligen
Michaels, des jüngsten Alten Meisters, hat ein Fernsehteam von arte vom ersten
Pinselstrich bis zum Aufhängen im Museum dokumentiert.
Die Posins haben eine Meisterschaft dafür entwickelt, so grandios zu fälschen,
dass selbst ausgewiesene Kunstkenner die Posin-Werke nicht als Fälschung
erkennen, wenn sie sie zum Gutachten vorgelegt bekommen würden. Die von Monet,
Renoir, da Vinci, Rembrandt, Dürer, Rubens, van Gogh und Raffael abgekupferten
Bilder sehen täuschend echt aus, sind es aber nicht. Friedlich vereint hängen
sie alle im Fälschermuseum in Großräschen.
Unübertroffener Glanzpunkt dabei ist die als eine der schönsten Frauen der Welt
verehrte Sixtinische Madonna. Ein Gemälde, das beinahe die Deckenhöhe des
Fälschermuseums gesprengt hätte. Die meisterlich gefälschte Schönheit ist seit
dem Vorjahr der Anziehungspunkt in Schellstedes Galerie der Täuschung. In der
vergangenen Woche hat sich neuer himmlischer Glanz hinzugesellt. "Der Heilige
Michael tötet den Dämon" macht der Madonna nun Konkurrenz, auf jeden Fall, was
die imposanten Bildmaße betrifft.
Für den mit dem Bundesverdienstkreuz geehrten Schellstede erfüllt sich damit ein
Herzenswunsch. Und dafür nimmt er auch in Kauf, dass für den Heiligen Michael
erst einmal Platz geschaffen werden musste. Der wird von Bild zu Bild immer
knapper.
Schellstede, der von den Alten Meistern begeistert ist und sich daran erfreut,
so viel Schönheit im Hause zu haben, will weiter sammeln. Die nächsten Bilder
sind bestellt. Ob er will oder nicht, muss er deshalb über einen Anbau oder den
Kauf eines neuen Gebäudes nachdenken. Erste Ideen dafür hat er im Kopf.
Für Aufsehen und Schlagzeilen sorgt sein kleines, aber sehr feines
Fälschermuseum unter dem Dach des Seehotels schon jetzt. In Europa sei es
einzigartig, bestätigen Semjon, Eugen und Michael Posin. Und es gibt tatsächlich
immer wieder mal Anfragen von großen Galerien aus der ganzen Welt. "Sie wollen
die meisterlichen Fälschungen ausleihen, um die eigenen kostbaren Originale
geschützt ins Depot hängen zu können", erklärt Schellstede. Anfragen dieser Art
lehnt er freilich meistens ab. Weil er an jedem seiner Bilder hängt und sie
beschützen will. Und so bereut er es auch nicht, den Filmstudios Babelsberg im
Vorjahr eine Abfuhr gegeben zu haben. In einem Film mit George Clooney über
Beutekunst sollten Schell stedes Bilder in einem alten Bergwerksstollen im Harz
aufgefunden werden. Schellstede hat den Deal platzen lassen, weil er
befürchtete, dass seine Bilder dabei beschädigt werden könnten. Eine
Entscheidung, mit der er im Reinen ist, nachdem er den Film gesehen hat. "Die
Szene im Bergwerksstollen wurde rausgeschnitten", ist er dann doch ein klein
wenig erleichtert.
Zweimal im Pariser Louvre
Was seine Bilder bei Galeristen und Filmbossen so begehrlich macht, ist ihre
außergewöhnliche Qualität. Um den Heiligen Michael perfekt auf die Leinwand zu
bringen, sind die Posins zweimal im Pariser Louvre gewesen. Das Fälscher-Trio
steht dann stundenlang vor Raffaels Original, um es zu entschlüsseln, um
durchzuschauen, wie sie selbst sagen. "Wir kopieren nichts. Wir malen Bilder
noch mal. Mit dem gleichen Gefühl, der gleichen Seele", erklärt Eugen Posin das
Geheimnis der meisterlichen Fälschungen. Den perfekten Ton der Alterung konnten
sie dem Heiligen Michael so erst nach dem letzten Paris-Besuch geben.
Bei den Posins, die zehn Jahre lang an der Kunsthochschule und Kunstakademie St.
Petersburg studierten, geht es ohnehin nicht allein um Farbe. Bevor sie anfangen
zu malen, tauchen sie mit Haut und Haar ein in das Leben und in die Technik des
jeweiligen Künstlers.
Entspannt bei Mona Lisa
Der Heilige Michael, der jetzt in Großräschen hängt, ist nach diesem
Erfolgsrezept entstanden. Ganz zufrieden sind die drei Fälscher natürlich nicht,
wie es Künstlern wohl so eigen ist. "Der Raum müsste größer sein, die
Ausleuchtung ist noch nicht ganz perfekt", meint Michael Posin. Gerold
Schellstede indes ist überglücklich. Er freut sich schon jetzt über die vielen
Besucher und vor allem Schulkinder, die staunend vor seinem neuesten Bild stehen
werden.
Er selbst sitzt in seinem Fälschermuseum indes am liebsten auf der kleinen
Lederbank vor der Mona Lisa. Wenn sie ihn hintergründig anlächelt, verfliegt
garantiert jeder Ärger.
Andrea Budich