"Künstlern so nahe, dass alle Furcht erlischt"
Die Malerbrüder Posin verstehen sich als Kopisten - Ihre Werke hängen schon in einem ihnen gewidmeten Museum
"Wissen Sie, ich hatte damals eine sehr kleine Wohnung und keinen Platz für große Bilder, also entschied ich mich für kleine Formate", erinnert sich der Maler Michael Posin an sein Bilderkreuz, das er in sieben Monaten in der Zeit zwischen 1996 und 1998 in der Originalgröße von 7,50 mal 4,30 Metern in Öl auf Leinwand erschuf. Entstanden is ein beeindruckendes "Bilderkreuz" aus 17 Einzelbildern, die die Passionsgeschichte Jesu darstellen. Zur Premiere wurde es 2001 in der Soltauer Martin-Luther-Kirche aufgestellt. Dann trat es seine Reise an; seine weiteren Stationen waren 2003 die Penkuner Kirche und die Marienkirche in Pasewalk. Während der mittwöchlichen Generalaudienz im Vatikan präsentierte Michael Posin am 10. März 2004 ein Modell des Kreuzes und ein Originalfragment. Er wurde Papst Johannes Paul II. vorgestellt und empfing dessen Segen. Einen Tag später empfing Monsignore Heldt den Maler in der Präfektur des Vatikans. Nach zwei Wochen kam ein Schreiben aus Rom, unterzeichnet von Monsignore Gabriel Caccia: "Seine Heiligkeit hat mich beauftragt (...), nochmals aufrichtig für dieses Zeichen der Verbundenheit mit seinem universalen Hirtendienst zu danken." Heute befindet sich das Modell des Bilderkreuzes im Maßstab 1:10 im Vatikan.
Wenige Tager nach einer Privataudienz am 27. März 2007 beim polnischen Josef Michael in Przemisl veranlasste der russische Maler die Schenk des originalen Bilderkreuzes an das Benedikter Kloster im polnischen Jaroslaw. "Ein solches Werk muss man schenken", betonte der gläubige Katholik. Zu sehen sind auf den Tafeln des Kreuzes unter anderem die Kreuztragung, die Kreuzigung Jesu, die Stadtmauern Jerusalems, der Engel, der die Auferstehung verkündet, die Heilung eines Blindes, Judas.
Michael Posin ist einer von drei Brüdern im Berliner Kunstsalon Posin in der Wipperstraße 20. In dem 2001 gegründeten Salon der Malerbrüder Semjon (70), Eugen (67) und Michael Posin (66) sieht man sich, eben noch draußen vor der Tür im lärmigen Neukölln, unverhofft Meisterwerken aus vergangenen Jahrhunderten gegenüber.
Da sind van Gogh, Monet, Kirchner, Renoir, Rembrandt, Klimt, Raffael, Dürer, Marc, Caravaggio oder Turner dicht an dicht gehängt, an die roten ode grünen Wänden des Salons gelehnt, auf Staffeleien. Links vom Eingang erinnert eine ganz Wand mit Zeitungsausschnitten unter anderem an den Vatikansbesuch der drei Brüder. Vis á vis des Eingangsbereichs begrüßt Leonardo Da Vincis Gianconda mit ihrer geheimnisvollen Mundpartie die Besucher. Michael Posin beschrieb es einmal so, daß Geheimnis läge darin, das Moment des Lächelns vor oder nach dem tatsächlichen Lächeln einzufangen. Um eben dieses Geheimnis zu lüften fuhren die Brüder wieder und wieder in den Pariser Louvre, betrachteten das hintergründige Lächeln und diskutierten darüber. Über ein Jahr Zeit nahmen sie sich für ihre Mona Lisa. Hier im Kunstsalon Posin jedoch könnte man ihr die Wange streicheln.
Um autorisiert fälschen zu dürfen, bedarf es strenger Regularien. Zum einen erlischt 70 Jahre nach dem Tod seines Schöpfers das Copyright nach Paragraph 64 des Urheberrechtsgesetzes. Diese Termine haben die Maler immer im Auge; so können sie ihr Oevre um Paul Klee, Wassily Kandinsky, Mauice Denis, oder auch Evard Munch erweitern. Zum anderen müssen die Bildmaße um wenige Zentimeter vom Original differieren. Auf der Rückseite dann der Verweis auf die Reproduktion. Nach einem Rundgang im Salon führt der erste Weg über eine schmale Stiege hinab in den niedrigen Keller. Vorbei an eigenen Werken der russischen Brüder, die Ende der 1980er Jahre nach Deutschland übersiedelten, ist am Ende des Gelasses ei schmaler Verschlag. In der Arrestzelle, im Nachbau einer solchen, befand sich sich ein nicht viel mehr al zwei Meter langes und 20 Zenimeter breites Holzbrett, au dem es weder zu sitzen noch zu liegen möglich war. Eugen Posin erinnert sich, es gab nicht einmal einen Eimer, für was auch. Vor seiner Ausweisung Ende des Jahres 1984 war er genau wie seine Brüder häufig an Orten wie diesem. Aus politischen Gründen. Wegen des geringen Platzbedarfes sind auch in dieser Zelle und auf besagtem Brett Bilder. Auf dem Rückweg führt der Weg an einem mächtigem Stalin-Porträt vorbei. Etwas daneben ein Porträt Hitlers mit durchschossener Wange; das Bild war Teil einer Ausstellung "Kunst und Diktatur". Gegenüber befindet sich das Lager für unzählige Holzleisten und Rahmen aller Größen und Arten. Je nach Auftrag arbeiten sie mit Holz, Originalleinwänden oder historischen Pigmenten. Die ausgebildeten Kunstmaler bieten Kopien und Fälschungen Alter Meister, Impressionisten und Expressionisten an. Bei Porträtmalerei nach Foto ist ihr Anspruch nicht die Kopie des Fotos - sie bilden den Menschen dahinter ab. Darüber hinaus restaurieren sie Originalgemälde und Möbel, beherrschen Wand-Decken, Glasmalerei, Ikonenmalerei, fertigen Skulpturen und malen selbstverständlich ihre eigenen Bilder.
Wieder oben im Salon vor einer Variante des Seerosenteiches im Dorf Giverny von Monet, antworteten sie auf die Frage, was davon zu halten sei, wenn ein anonymer Sammler ein Bild für mehrere Millionen ersteigert und sich dies von fremden Blicken verborgen in seine eigene Kammer hängt: "Man kann nichts dagegen machen, wenn sich Sammler mit ihren Werken einsperren", denkt Eugen. Michael ist der Auffassung, " Bilder müssen gezeigt werden." Und das werden sie auch in ihrem "eigenen" Fälschermuseum in der Galerie des Seehotels Großräschen in Brandenburg. Über 100 Werke aus der Hand von Eugen, Michael und Semjon Posin sind dort versammelt. Neben Werken von Vincent van Gogh, Raffael, Rembrandt, Caspar David Friedrich oder Albrecht Dürer fehlt natürlich auch die Mona Lisa und ihr geheimnisvolles Lächeln, hier geschützt von Plexiglas, nicht. Die "Nachtwache" ist mit den Maßen vier mal 5,10 Metern sozusagen noch im Original des Jahres, als 1642 Rembrandt sie erschuf. Ihre Ränder fielen 1715 dem Beschnitt aufgrund des Umzuges ins Amsterdamer Rathaus zum Opfer. Auftraggeber ist der Unternehmer Gerold Schellstede, der die Nachschöpfungen der Posins seit Jahren mit Leidenschaft sammelt, und nachdem er im eigenen Domizil keinen Platz mehr für sie fand, sich entschloss, sein in der Niederlausitz gelegenes Seehotel zu bestücken.
Auch für schmalere Börsen sind im Neuköllner Kunstsalon Gemälde käuflich zu erwerben. Nach oben besteht viel Spielraum. Überhaupt interessieren sich inzwischen auch Museen für ihre Bilder. Das Erich Wilker Museum in Lohmar Breid in NRW hat vier Bilder von Antonella da Messina und Rogier von der Weyden in Auftrag gegeben. So können sich die drei in der Sowjetunion geborenen Künstler, die alle über eine hochkarätige akademische Ausbildung verfügen, nicht über mangelnde Aufträge beschweren. Zunächst hatten sie die W.A. Serow Kunstfachschule Leningrad besucht und anschließend ein Studium der Malerei am renommieten Repin-Institut in Leningrad absolviert. Leider bleibt den drei Malern zu wenig Zeit, um Ausstellungen eigener Bilder zu organisieren. Eugen Posin vermutet, Picasso hätte sich noch weiter entwickelt, hätte er nicht so viele Auftragsarbeiten gehabt, denn Kunst kenne keinen Stillstand und sei steter Prozess.
Die alten Meister erfordern unterschiedliche Techniken
Momentan arbeitet der jüngste Posin Michael unter anderem an einem Hochformat des Paradebildnisses Ludwigs XI. aus dem Louvre, 1701 von Hyacind Rigaud gemalt. Die Herausforderung is, stets die gesamte im Blick oder vor dem inneren Auge zu haben. Nur knapp passt es aufgrund seiner Länge in den Salon; die Deckenverkleidung musste partiell entfernt werden. Davor liegen auf einem Tisch die Anfänge zu einem Klimt, an dem sie gemeinsam arbeiten, das Blattgold und Silber sind zu Teilen aufgetragen. Renaissance-Bilder wiederum fordern Maß und Zeit, indes müssen impressionistische Bilder innerhalb weniger Stunden flott im historisch verbürgten Tempo auf der Leinwand zum Leben erweckt werden. Dies unterscheidet von Kopisten, meint Eugen Posin. Inzwischen ist das erfolgreiche Trio intenational bekannat, viele Berichte in Presse, Blogs und Fernsehen zeugen davon. In der jüngst wiederholt ausgestrahlten WDR Reportage "Der große Bluff - Wie kann man mit Kunst kassiert" von Anke Rebert kommen auch die Brüder Posin verschiedentlich zu Wort und Bild. Es ging um den als verschollen geltenden "Akt mit Katze" Max Pechsteins - gefälscht von dem 2006 verurteilten Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi, der im Jahr 2003 dafür etwa 500.000 Euro erhielt. Die Posin brauchten für ihren "Akt mit Katze" genausolang, nämlich zwei Tage und verlangten 0,2 Prozent der Summe. Sie diskutieren leise im weichen Russisch ihrer Muttersprache über Stil und Form; zu verbessern gibt es immer wieder etwas. Am Ende legen alle drei Brüder nochmals Hand an - und signierten nach Fertigstellung ihr Werk mit ihren eigenen Namen.
" Es spielt keine Rolle", erwidern die Brüder auf die Frage, ob es nicht einen Unterschied mache, draußen bei Sonnenlicht oder im Atelier bei Kunstlicht zu arbeiten. Überhaupt beschäftigen sie sich genau mit Werk und Künstler. Es gilt, sich in den jeweiligen Maler hineinzuversetzen. "Man muss denken wie der Maler". So entstehen etwa auch nachempfundene Sonnenblumen van Goghs, oder Bilder Ludwig Kirchners, die von ihren Vorgängern nie gemalt wurden. Unisono konstatieren sie: "Wir sind Künstler", Begriffe wie Kopisten oder Fälscher lehnen sie vehemennt ab. Christoph Stölzl schrieb über sie im Magazin "Cicero": "Im Idealfall entsteht, durch externe Einfühlung in die Persönlichkeit, so etwas wie eine Zweitfassung von Künstlerhand. "Ein Bild zum zweiten Mal malen, ist ein Akt der Liebe" sagt Semjon Posin. "Er gelingt, wenn man dem Künstler so nahekommt, dass alle Furcht erlicht".
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