Drei Brüder kopieren frei und fröhlich im "Kunstsalon Posin" große Künstler
von Christiane Meixner
In ihrem Neuköllner Atelier fälschen drei Brüder alles, was groß und wichtig in der Kunst ist. Für ihre neueste Ausstellung im "Kunstsalon Posin" haben sie sogar Bilder gemalt, die es gar nicht mehr gibt.
Nebenan gibt es noch Ofenheizungen, und vor dem
Haus krümmt sich en steinernes Pflaster, das schon andere Jahrhunderte gesehen
hat. So etwas hilft, um sich rasch noch einmal Leben und Werk jener
Künstler zu vergegenwärtigen, auf deren Bilder man gleich hinter einer
schmucklosen Tür am Erdgeschoß treffen soll: Rubens, van Gogh, Gustav Klimt
und Otto Dix. Sie alle hier in Neukölln?
Natürlich nicht. Die gelben Sonnenblumen, mondänen Frauen und selbst eine
schwere Nackte, die erst noch fertig gemalt werden muß, sind Chimären.
Botschafter einer Zeit, in der die deutschen Museumsdirektoren keine
akademischen Fleißbilder kaufen wollten, sonder sich von den internationalen Strömungen,
der Kunst mitreißen ließen - vom Impressionismus eines Monet ebenso wie von
Mackes expressiven Kompositionen.
Was sie ab 1900 kauften, wurde teils später von den Nazis als
"entartet" konfisziert. Anderes verbrannte im Bombenhagel oder
zog - wie Rubens fülliger Akt "Tarquinius und Lukretia", der
bis 1942 in der Galerie von Schloß Sanssouci in Potsdam hing - als Beutekunst mit
der Roten Armee nach Rußland.
Daß nun jene verschollenen Bilder dennoch im Neuköllner "Kunstsalon
Posin" zum Greifen nahe sind, verdankt sich drei äußerst skurrilen
Gestalten: Eugen, Michael und Semjon Posin. Die drei Brüder um die fünfzig
kopieren seit langem, was immer in der Kunstgeschichte groß und wichtig
geworden ist - das feine, unergründliche Lächeln der Mona Lisa ebenso wie von
Goghs heillos stürmische Farbkringel. Anfragen nach den zertifizierten
Fälschungen kommen aus aller Welt. Selbst ein da Vinci wird bezahlbar, wenn er
aus der Werkstatt der Posins kommt. Diesmal aber ist alles anders.
In der jüngsten Ausstellung des russischen Trios "Bilder leiden wie
Menschen" wird nichts verkauft, und unter jedem der zwei Dutzend Gemälde
klebt ein kleiner Zettel. "Rekonstruktion" steht da, nicht einfach
"Kopie". Monate haben die Brüder gebraucht, um sich eine
ausschnitthafte Galerie jener Werke zu schaffen, die im Original wohl unwiederbringlich
verloren sind. "Unser Beitrag zum 60jährigen Kriegsende", brummt
Eugen Posin und steckt gleich wieder die Pfeife in den Mund. Ein Museum an
dunkelbraun gemalten Wänden, mit geblümter Klebefolie auf den Fenstern und
winzigen Schwarzweißfotos, die dokumentieren, was von den echten Meisterwerken
geblieben ist.
Mehr hatten auch die Posin-Brüder nicht zur Verfügung. Ein bißchen
Einfühlung, Farbverständnis und viel, viel Übung - das seien die wichtigsten
Instrumente, um etwa so ätzend wie Dix zu malen, dessen 1942 vernichtete
"Kriegskrüppel" eine große Anklage sind. "Man muß denken wie
der Maler", sagt Semjon Posin und schaut auf die prächtigen Sonnenblumen
van Goghs, die ein Besucher schon vor der Eröffnung für 1000 Euro kaufen
wollte. "Wir haben ihm dann eine Kopie der Rekonstruktion gemalt,
aber die wollte er erst nicht haben, weil es ja ein Kopie unseres Bildes
war", meint Semjon Posin und versteht die Welt nicht mehr.
Sie ist aber auch kompliziert angesichts zahlloser Bilder, die täuschend echt
wirken und dazu von drei Fälschern gemalt werden, von denen jeder jeden
Künstler imitieren kann. Ob die Einfühlung mitunter so weit gehen kann, daß
man sich irgendwann selbst wie van Gogh fühlt? Eugen Posin lacht über die
Frage und zupft an seinen Ohren. "Dann hätte ich die hier nicht mehr. Nein
kein Bedürfnis, mich zu verstümmeln".
Die Kunst im "Salon Posin" bleibt also, was sie ist - eine mal mehr
und mal weniger gelungene Nachahmung großer Meister. Rubens, van Gogh, Gustav
Klimt und Otto Dix: Ihr könnt beruhigt nach Hause gehen.