Berliner Morgenpost vom 23.05.02

Mona Lisa in Neukölln

Drei Berliner Russen kopierten das berühmteste Lächeln der Welt

Statt Panzer - ist es Plexiglas, aber sonst sieht der überdimensionale Kasten an der Wand seinem Pariser Vorbild schon recht ähnlich. Vor schwarzem Samt lächelt dahinter die unbekannte Schöne mit dem berühmtesten aller Lächeln aus güldenen Rahmen: Neuköllns Mona Lisa. Ihre drei neuzeitlichen Schöpfe Evgeni (55), Michail (53), und Semjon Posin (57) selbst sehen sich derart ähnlich, dass man sie nur an ihren Utensilien zu unterscheiden vermag. Ersterer raucht Pfeife, Michail versteckt sein Gesicht unter einem Hut und Semjon setzt den schwarz gewandeten Brüdern  im lehmfarbenen Ensemble einen Hauch Farbe entgegen.

"Das ist eine ziemlich gute Kopie", finden die Brüder, die ihre jüngste Öl-auf-Holz-Schöpfung gestern erstmals öffentlich präsentierten. Allesamt Absolventen der namhaften St. Petersburger Kunsthochschule, habe die sich sozusagen mit akademischem Anspruch der Fälscherei bekannter Kunstwerke verschrieben. Kopieren darf man übrigens alle - nur nicht exakt in Originalgröße. So sonnt sich Leonardo da Vincis Mona Lisa im Kunstsalon der Brüder an der Wipperstraße 20 im Glanz von Goghscher Sonnenblumen, erblickt gegenüber Monets Seerosenteich mit japanischer Brücke oder mag im Traum auf  Franz Marcs großen blauen Pferden entfliehen.

Doch besonders die ihren Betrachter verfolgenden dunklen Augen der Mona Lisa, ihr fast farbloser Teint, der sanft geschwungene Mund, hätten sie an angeahnte Grenzen ihrer Kunst geführt, erzählten die Posins. "Eigentlich lächelt sie gar nicht, ihr Mund ist geschlossen. Nur die Wangenmuskeln sind fast unmerklich angespannt, wie im Augenblick kurz vor oder gerade nach einem Lächeln", befinden sie.

Fast ein Jahr benötigte das Dreigespann für seine Version des weltbekannten Werkes aus Raum 6 im Louvre:" Wir verwendeten ein etwa 80 Jahre altes Stück Holz aus einem Berliner Möbel, das wir mit rückwärtigen Streben vor Verformung schützten."   Wie nach Grundierung und etlichen Farbschichten aus Tempera, Öl und Lasur die typischen Risse alter Meister entstanden sind, "bleibt unser Geheimnis", lässt das Triumvirat triumphal verlauten.

Die größte Herausforderung für die Posins bei der  Mona Lisa war das Sfumato. Das ist italienisch und bezeichnet feine, kaum erkennbare Unschärfen. Mit diesem Kunstgriff nahm Leonardo da Vinci der "La Gioconda" dereinst die Steifheit des Porträts. "Es gibt da nirgendwo eine Linie und Schatten, alles geht irgendwie ineinander über", erläutern sie. Der Preis für ihr Werk sei indes nicht grenzenlos: "Wir werden mit einem Käufer schon einig", kommt es einvernehmlich.

Corinna Schlag

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