"Berliner Zeitung" vom 06.05.05

Ausstellung

Verschollene Kunst - kunstvoll gefälscht

von Eva Dorothée Schmid

Was die Rote Armee im Zweiten Weltkrieg als Beutekunst nach Russland gebracht hat, geben drei russische Brüder den Berlinern jetzt zurück: Evgeni, Michail und Semjon Posin, bekannt als Kopisten weltberühmter Gemälde, haben Bilder von Vincent von Gogh, Otto Dix, Gustav Klimt, Lovis Corinth und August Macke anhand alter Schwarz-Weiß-Fotos in Büchern rekonstruiert. Sie werden ab morgen im Kunstsalon Posin in Neukölln zu sehen sein. Als Bilder, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden oder verschollen sind - teilweise, weil sie den Nazis als entartete Kunst galten.

Dass sie auch ohne farbige Vorlagen die Originale ziemlich genau getroffen haben, davon sind die Maler überzeugt. "Man weiß ja, wann die Bilder gemalt wurden. Da haben wir recherchiert, mit welchen Farben die Maler in dieser Zeit gemalt haben, außerdem gibt es teilweise ähnliche Gemälde", erklärt Evgeni Posin. Er verweist darauf, dass alle drei Brüder in Sankt Petersburg eine Kunstfachschule besucht hätten und viel von Kunst verstünden.

Die Idee zu ihrer neuen Ausstellung mit etwa einem Dutzend Bilder hatten die Posins vor einem Jahr. Sie sagen, im Zusammenhang mit dem 60-jährigen Kriegsende werde immer nur über die Menschen geredet, die verfolgt und getötet worden seien, nie aber über die Bilder, die ebenso verfolgt, zerstört, entführt und verschollen seien. "Bilder leiden wie Menschen", sagt Michael und so haben sie auch ihre Ausstellung genannt. Verkaufen können die Posins die meisten ihrer Werke nicht. Aus illegalem Fälschern wird legales Kopieren erst, wenn die  Künstler mindestens 70 Jahre tot sind, und das ist bei einigen Malern noch nicht der Fall. Aber ums Geld gehe es ihnen nicht. Sondern darum, die vergessenen Bilder wieder ins Bewusstsein zugänglich zu machen, sagen sie. "Das Thema verschollene Kunst steht uns persönlich sehr nah", sagt Evgeni. Er selbst habe bei seiner Ausreise aus Russland 1984 rund 600 Bilder zurücklassen müssen, von denen er keine Fotos hat und nicht weiß, was aus ihnen geworden ist.

Derzeit arbeiten die drei Brüder an einer Kopie des von Rubens gemalten Bildes "Tarquinius und Luretia", das 1924 nach Russland entführt und 2003 in einer Moskauer Wohnung Wohnung stark beschädigt entdeckt wurde. In sechs Monaten vielleicht werde der Rubens fertig sein, sagt Michail Posin. Dann wird auch er im Kunstsalon Posin in Neukölln zu sehen sein.

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