"Berliner Zeitung" vom 24.10.16

Die Mona Lisa in der Lausitz

Das Fälschermuseum in Großräschen beherbergt zahlreiche Kopien großer Meisterwerke - gefertigt von den Brüdern Posin

von Nadine Pensold

Großräschen. Es ist kein Geringerer als Johann Wolfgang von Goethe, der einem beim Frühstück im Seehotel Großräschen (Oberspreewald-Lausitz) Gesellschaft leistet. Lässig lehnt sich der Dichter auf einer Mauer in der Toscana zurück - genaus so, wie der Künstler Johann Heinrich Wilhelm Tischbein ihn 1789 in Öl auf Leinwand bannte. Das Original lässt sich im Städel in Frankfurt bewundern, eine täuschend echte Kopie hat Gerold Schellstede in die Lausitz geholt.

Der 77-Jährige ist Geschäftsführer des Seehotels und großer Kunstfreund. "Zum Original-Rembrandt reicht es bei mir aber noch nicht", scherzte er. Zumindest kann er einige gekonnte Fälschungen des niederländischen Barockmalers sein Eigen nennen. Schellstede schätzt die Arbeit der Brüder Posin; drei bekannte Kunstfälscher, die in ihrem Atelier in Neukölln die Werke der großen Meister der Kunstgeschichte kopieren.

" Die drei sind wirklich begnadet. Selbst Kunstkenner merken keinen Unterschied", sagt Schellstede. Vor über zehn Jahren wurde er durch eine Zeitschrift auf die in der Sowjetunion geborenen Brüder aufmerksam. "Sie haben mir imponiert. Die Jungs wollte ich kennenlernen." Er besuchte sie in ihrer Werkstatt in Neukölln, kaufte sich einige Bilder. An das erste kann er sich noch gut erinnern: ein Selbstporträt von Vincent van Gogh, das heute noch in seiner Wohnung hängt.

Wunsch nach einem Picasso

Dutzende Arbeiten der Kunstfälscher hat Schellstede mittlerweile erstanden - die meisten macht er der Öffentlichkeit zugänglich. Mit der Eröffnung des Hotels am Rande eines gefluteten Tagebaus im Jahr 2007 richtete er ein Fälschermuseum für die Brüder Posin ein. 148 Gemälde umfasst die Sammlung aktuell. Rund 4.000 Besucher zählt das Museum pro Jahr. Neben Hotelgästen sind das Malschulen, Schulklassen und Kunstfans. "Die Leute haben an der Fälschung genauso viel Freude wie am Original. Und ich freue mich, wenn wir auch bei Jugendlichen das Interesse für Kunst wecken können", sagt der 77-jährige.

Als Gerold Schellstede in den ersten Ausstellungsraum bittet, wird man von Jan Vermeers "Mädchen mit dem Perohrring" begrüßt. Sie blickt auf  "Krieg und Frieden" von Rubens, das fast die komplette Wand einnimmt. Es folgen Cranachs Luther-Porträt, Raffaels "Der Heilige Michael tötet einen Dämon". "Die vier Apostel" von Albrecht Dürer säumen den Durchgang zum Ausstellungsraum. "Dürer ist ganz schwer zu kopieren", erkläreet Schellstede, als er mit seiner Hand die Konturen der Apostel andeutet. Der Faltenwurf der Kleidung, Mimik und Details der Körper seien eine große Herausforderung für die Kunstfälscher.

Geduld muss man haben, wenn man ein Bild der Posin-Brüder erwerben möchte. Auf sein Lieblingsgemälde wartete Schellstede ganze drei Jahre: Rembrandts "Nachtwache". In der Lausitz bekommt sogar mehr von der Szene zun sehen, als auf dem Original im Reichsmuseum von Amsterdam. Denn ein Teil wurde mit Säure zerstört, die Posins haben die verlorene Stelle in ihrer Fälschung berücksichtigt.

Beim Schlendern durch das Museum entdeckt man Klimt, Liebermann, Gaugin, Monet, Cezanne und weitere große Namen der Kunstgeschilclhte. "Auch sowas machen die drei", sagt Schellstede und tätschelt der Bronzeplastik von Rodins Denker den  Rücken. Aktuell sind fast alle Exponate Alte Meister. Schellstede ist durchaus interessiert an moderner Kunst. "Ich hätte gerne einen Picasso", sagt er. Doch ein Werk darf erst dann kopiert werden, wenn der Künstler länger als 70 Jahre tot ist.

Natürlich darf "Dasa Bild aller Bilder", wie Schellstede es ehrfürchtig nennt, in dieser Sammlung nicht fehlen: die Mona Lisa. Ebenso wie im Pariser Louvre blickt sie aus einem Glaskasten heraus. Und wie im Original guckt sie einen an. Egal, wo man im Raum steht. Die Mona Lisa der Lausitz ist allerdings etwas üppiger, denn wer Kunstwerke offiziell nachahmen will, braucht eine Genehmigung für die Herstellung im Originalformat. Bei den meisten Fälschungen, die im Seehotel zu sehen sind, war das möglich. Die Mona Lisa - ebenso wie das "Mädchen mit dem Perlenohrring" und Liotards "Schokoladenmädchen" - sind aber etwas größer als ihre Vorbilder.

Auch Fehler eingearbeitet

 Liebe zum Detail - und dem Original - beweisen die Brüder Posin in vielerlei Hinsicht. Denn auch Fehler, die sich mit der Zeit auf den Original-Gemälden einschleichen, werden eingearbeitet. Etwa ein kleiner Riss am Himmel über der Mona Lisa. Detailgetreu versucht man selbst bei der Rahmung zu sein. Schweres Holz, reich verziertes Gold und Silber umrahmen die großen Werke. "Wir orientieren uns an der Originalrahmung. Leider klappt das nicht immer. Es ist schwer, die passenden Rahmen zu finden", sagt Gerold Schellstede.

Posin

 Das Fälschermuseum befindet sich im Seehotel, Seestr. 88 in Großräschen. Eintritt: Erwachsene zwei Euro, Kinder ein Euro.

 

zurück