Berliner Zeitung vom 25.08.2001

Das falsche Gemälde

Ein van Gogh für 2100 Mark

Die Seele. Sie ist immer dabei, wenn Evgeni Posin den Pinsel zur Hand  nimmt. Auch wenn er genau das malt, was vor ihm schon eine anderer gemalt hat. Jemand, der mit Nachnamen Rubens oder Cezanne oder Raffael hieß und so die Leinwand bearbeiten konnte, dass es ihn berühmt gemacht hat. Meist auch reich, und wenn schon den Künstler nicht mehr, dann wenigstens seine Erben. 

Die Bilder sind wertvoll, die hängen in  Museen, und Evgeni Posin und seine zwei Brüder stehen davor und malen sie nach. Das Werk nach dem Werk ist immer ein wenig größer oder kleiner als das Original, das muss  sein, und das Original ist nie von Chagall oder Miro oder Picasso. Denn erlaubt ist die Kopie erst, wenn der Schöpfer des  Vorbildes mindestens 75 Jahre tot ist. Sonst ist es eine Fälschung. Die Gebrüder Posin, die das Malen an der Kunsthochschule in Moskau gelernt haben, wollen aber keine Fälscher sein. Sie sind Kopisten, und die Gemälde verkaufen sie in ihrem Kunstsalon Posin in Neukölln, ganz legal.

Da gibt es dann einen falschen Vincent van Gogh mit echter Posinscher Seele zu erstehen. Seele ist wichtig, sagt Evgeni Posin. Seele macht aus Handwerk Kunst. Seele heißt: Evgeni Posin hat nicht nur den Pinselgeführt wie Pissarro, er war Pissarro Hat, bevor er den ersten Klecks auf die Leinwand setzte, verstanden, wie der Franzose vor über 100 Jahren Himmel und Wiesen strichelte und tupfte. Wie von Goh die Farbe batzenweise kleckerte. Das Verstehen dauert oft Woche, das Malen manchmal nur ein paar Stunden, Der Preis, den das Bild in der Galerie dann kostet, berechnet sich aus der Mal-Zeit. Auch die muss der Original-Arbeitszeit entsprechen. Darum ist ein flotter Impressionist teurer als ein bedächtiger Renaissance-Maler, der erst mal auf Karton vorzeichnete. Vincent van Goghs "Zwölf Sonnenblumen in einer Vase"  kosten bei Posins 2.100 Mark.

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