Sie lernten das Malen als Kinder in Sibirien und bekommen heute gelegentlich unmoralische Angebote. Im Neuköllner Keller fertigen die drei Posin-Brüder berühmte Kunstwerke als Kopie an
von T. Biermann (Text) und O.Selchow (Foto)
Eugen (68), Michael (66) und Semjon Posin (70) sitzen in einer dunklen Neuköllner Werkstatt. Eugen raucht Pfeife, die anderen beiden Zigaretten, ohne Filter, mit starkem Drehtabak, Gauloises. Eugen, der Pfeifenraucher, lange graue Haare, charmantes Lächeln, ist der Gesprächigste, die anderen beiden grummeln eher.
Die bärtigen Brüder stammen aus Sibirien, sind nach einer Odyssee in Berlin gelandet. Eugen kam vor 30 Jahren, seine Brüder zwei Jahre später. Und sie betreiben mit über 1000 Kopien die wohl bekannteste Fälscherstube der Republik. „Wir können jedes Bild der Welt fälschen“, sagt Eugen. Sie malen in Öl, Wasserfarben, Kohle, fertigen auch Skulpturen an.
Ihre Spezialität ist eine täuschend echte Mona Lisa (8000 Euro), für deren 70 Farbschichten und Risse sie etwa drei Monate brauchen. „Man muss Farbmittel nehmen, die chemisch nicht zusammenpassen, sodass das Bild nach zwei Tagen reißt und aussieht, als wäre es 500 Jahre alt, dann ist es eine gute Kopie“, erklärt Eugen. Und Ärger bekommen sie deswegen nicht: Wenn der Erschaffer eines Werks seit 70 Jahren tot ist, ist das Kopieren legal.
Die Brüder wurden von den damaligen sowjetischen Machthabern in den Westen abgeschoben. „Ich war Künstler, aber nicht so, wie die das wollten“, erklärt Eugen. „Die wollten Bilder wie aus der Hitlerzeit mit kräftigen Männern.“ Ihr Vater, ein Sprachwissenschaftler, war vom paranoiden Diktator Josef Stalin als angeblicher Spion in sibirische Arbeitslager verbannt worden, deshalb wuchsen die Brüder im eiskalten Norden auf.
Sie sind froh, weg aus dem heutigen Russland zu sein. „Ein reiches Land in den falschen Händen. Die leben noch im 19. Jahrhundert“, findet Eugen. Als kleinen Seitenhieb haben sie im Keller des Ateliers ein „Kunst-Gefängnis“ eingerichtet. Hier stehen Reproduktionen von Hitler- und Stalinporträts. „Wir haben hier alle Banditen versammelt“, sagt Eugen. Stalin blickt von einem Balkon in die Weite, Hitler als Kreuzritter.
„Wir fingen mit zwei Jahren an zu zeichnen und zu malen, wir wollten schon immer Künstler werden“, erzählt Michael. Kohlestifte machten sie sich damals selbst, indem sie Birkenstöckchen in mit Sand gefüllte Dosen steckten und sie in ein Feuer legten.
Schnell wurden sie in der Leningrader Kunstakademie aufgenommen, auf der sie in sechs Jahren die Techniken lernten, mit denen sie heute klassische und impressionistische Bilder kopieren können. Ihr aufwendigste Arbeit, die ein Jahr dauerte, ist eine fünf mal drei Meter große Kopie von Rembrandts Nachtwache. Sie hängt im „Fälschermuseum“ im brandenburgischen Seehotel Großräschen, das von Möbelhausbesitzer Gerold Schellstede (75) betrieben wird.
Der Mäzen hat seit 1995 schon über 150 Bilder von den Brüdern gekauft. „Sie gelten laut Experten aus den USA als die besten Fälscher der Welt“, sagt Schellstede. „Sie haben ein Qualitätsdenken und das setzt sich durch.“
Die Brüder kopieren so genau, dass sie manchmal unmoralische Angebote bekommen. Von Betrügern, die verschollene Werke fälschen lassen und sie dann als „plötzlich aufgefunden“ an ahnungslose Sammler verkaufen.
„2001 kam ein Mann in unseren Laden, der Farbe und Leinwand aus Picassos Lebenszeit hatte“, sagt Eugen. Der Mann hatte auch ein Foto von einem Werk des spanischen Künstlers dabei, das als verschollen gilt. „Er wollte, dass wir das Bild neu malen und es für sieben Millionen Euro verkaufen. Wir hätten 50 Prozent bekommen.“ Die Brüder haben abgelehnt.
Die Posins schaffen auch eigene Werke. Und Eugen sagt, es sei kein Zufall, dass sie von ihrer Malerei leben können. Im Gegensatz zu vielen brotlosen Malern, die es auch in Berlin gibt. „Entweder man kann es oder nicht. Ich kann malen, nicht boxen, nicht tanzen, deswegen male ich lieber.“
Mit manchen moderneren Werken und Installationen, die für Millionenbeträge verkauft werden, können sie nicht viel anfangen. „Wenn einer ein komplett weißes Bild malt, ist das Verarschung für Leute, die bereit sind, dafür Geld zu bezahlen“, sagt Eugen. Er nennt so etwas „Luftverkäufe“.
Die Brüder haben keine Frauen, keine Kinder, die Eltern sind verstorben. Der Vater 1975 in Sibirien, die Mutter vor fünf Jahren in Berlin. Sie werden weitermalen, an ihren Techniken feilen. „Wir werden immer besser und wenn wir alles können, sterben wir“, sagt Semjon mit einem Lachen und nimmt einen Zug von der starken Zigarette.