Vincent van Gogh im Sonderangebot. Seine
"Sonnenblumen in einer Vase" sind für 2100 Mark zu haben. "Die kleinen blauen
Pferde" von Franz Marc gibt es zum Spottpreis von 2600 Mark. Die Fälschungen der
Brüder Posin, die an den Wänden einer kleinen Galerie in der Neuköllner
Wipperstraße zum Verkauf hängen, wirken so echt, dass schon mal jemand versucht
hat, zwei Posin-Fälschungen von William Turner als Originale im Ausland zu
verkaufen. Aber dieser Jemand ist schnell aufgeflogen. Denn an Leinwand und
Farben sind Fälschungen schnell zu erkennen.
"Der Jemand war ein Idiot", sagt Evgine Posin und zündet sich die Pfeife mit
seinem goldenen Feuerzeug an. "Wenn wir illegal kopieren wollten, hätten wir die
entsprechenden Materialien benutzt." Doch die Brüder Posin, drei sind es an der
Zahl, fälschen nicht illegal. Das Gesetz erlaubt es den drei russischen
Künstlern, Bilder von Malern zu kopieren, die mindestens siebzig Jahre unter der
Erde liegen. Sind die Kopien dann noch ein paar Zentimeter kleiner oder größer
als die Originale und auf der Rückseite als Kopie gekennzeichnet, dürfen sie
auch verkauft werden. Und das tun die Posins auch. Die Preise liegen zwischen
800 und 10 000 Mark. Seit sie ihren "Kunstsalon Posin" Anfang Januar in der Nähe
des Bahnhofs Neukölln eröffnet haben, können sich die Brüder über mangelnde
Kundschaft nicht beklagen. Das liegt vielleicht daran, dass die drei Russen
alles auf die Leinwand bringen, was der Kunde wünscht. So kann man bei ihnen
auch so genannte "Neukreationen" bestellen. Bilder, die in Stil und Technik
eindeutig einem berühmten Maler zuzuordnen sind, die aber von jenem nie auf die
Leinwand gebracht wurden. Auch Bilder, die schon lange als verschollen oder
vernichtet gelten, sind in der Galerie der Posins zu entdecken. So hängt neben
etlichen Kopien alter Meister ein Gemälde von van Gogh, das vermutlich im
zweiten Weltkrieg in Flammen aufging. Die Gebrüder Posin haben es anhand eines
Schwarz-Weiß-Fotos rekonstruiert und sich bei den Farben auf ihr Gefühl
verlassen.
Als Fälscher sind die drei Brüder alle gleich begabt. Keiner hat ein
Lieblingsbild oder einen Meister, dessen Pinselstrich er besser oder schlechter
beherrscht als seine Brüder. "Die Liebe zur Malerei entstand bei uns schon in
der Kindheit", sagt Evgine Posin.
Die technischen Fähigkeiten und kunsthistorischen Kenntnisse haben die Brüder
sich in jahrelangem Studium an der Leningrader Kunstakademie angeeignet. Als
Handwerker, die ein Bild "Strich für Strich kopieren", verstehen er und seine
Brüder sich nicht. Um der Fälschung wirklich Seele einzuhauchen, müsse man sich
den Pinselstrich, das Tempo, die Launen des Meisters zu eigen machen. "Es ist
ein bisschen wie Schauspielerei", erklärt Posin.
Als Besucher des "Kunstsalons Posin" kann man sich lebhaft vorstellen, wie der
52-Jährige mit dem langen dunklen Haar und dem Jesusbart, der da auf dem kleinen
Ledersofa pfeiferauchend über die Kunst des Fälschens philosophiert, sich nachts
in seinem Atelier in den echten Vincent van Gogh verwandelt. Nicht immer sind
die Rollen der großen Meister leicht zu spielen. Für die wilde Pinselführung von
Pizarro habe er drei Wochen gebraucht, erzählt Evgine Posin. "Aber als ich es
dann raushatte, war das Bild an einem Tag fertig."
Aber manchmal malt ein Posin auch einen Posin. Derzeit bereiten die Brüder eine
Ausstellung mit eigenen Bildern vor. Außerdem geben die Posins Unterricht. Im
hinteren Raum ihrer Galerien finden sich viermal in der Wochen Kunststudenten,
Hobbymaler und Anfänger ein. Die meisten von ihnen sind, so wie die 31-jährige
Katja Popilewsky der Meinung, "dass man nirgends so viel lernen kann wie bei den
Posins". Die lächeln bei solchen Komplimenten - und fälschen munter weiter,
erfolgreich und ganz legal.
Maria Neuendorf