Der Tagesspiegel vom 14.06.2001

Schauspieler der Leinwand

Die Gebrüder Posin fälschen in ihrer Neuköllner Werkstatt die Gemälde großer Meister - und üben sich dafür in den Launen ihrer Vorbilder

Vincent van Gogh im Sonderangebot. Seine "Sonnenblumen in einer Vase" sind für 2100 Mark zu haben. "Die kleinen blauen Pferde" von Franz Marc gibt es zum Spottpreis von 2600 Mark. Die Fälschungen der Brüder Posin, die an den Wänden einer kleinen Galerie in der Neuköllner Wipperstraße zum Verkauf hängen, wirken so echt, dass schon mal jemand versucht hat, zwei Posin-Fälschungen von William Turner als Originale im Ausland zu verkaufen. Aber dieser Jemand ist schnell aufgeflogen. Denn an Leinwand und Farben sind Fälschungen schnell zu erkennen.

"Der Jemand war ein Idiot", sagt Evgine Posin und zündet sich die Pfeife mit seinem goldenen Feuerzeug an. "Wenn wir illegal kopieren wollten, hätten wir die entsprechenden Materialien benutzt." Doch die Brüder Posin, drei sind es an der Zahl, fälschen nicht illegal. Das Gesetz erlaubt es den drei russischen Künstlern, Bilder von Malern zu kopieren, die mindestens siebzig Jahre unter der Erde liegen. Sind die Kopien dann noch ein paar Zentimeter kleiner oder größer als die Originale und auf der Rückseite als Kopie gekennzeichnet, dürfen sie auch verkauft werden. Und das tun die Posins auch. Die Preise liegen zwischen 800 und 10 000 Mark. Seit sie ihren "Kunstsalon Posin" Anfang Januar in der Nähe des Bahnhofs Neukölln eröffnet haben, können sich die Brüder über mangelnde Kundschaft nicht beklagen. Das liegt vielleicht daran, dass die drei Russen alles auf die Leinwand bringen, was der Kunde wünscht. So kann man bei ihnen auch so genannte "Neukreationen" bestellen. Bilder, die in Stil und Technik eindeutig einem berühmten Maler zuzuordnen sind, die aber von jenem nie auf die Leinwand gebracht wurden. Auch Bilder, die schon lange als verschollen oder vernichtet gelten, sind in der Galerie der Posins zu entdecken. So hängt neben etlichen Kopien alter Meister ein Gemälde von van Gogh, das vermutlich im zweiten Weltkrieg in Flammen aufging. Die Gebrüder Posin haben es anhand eines Schwarz-Weiß-Fotos rekonstruiert und sich bei den Farben auf ihr Gefühl verlassen.

Als Fälscher sind die drei Brüder alle gleich begabt. Keiner hat ein Lieblingsbild oder einen Meister, dessen Pinselstrich er besser oder schlechter beherrscht als seine Brüder. "Die Liebe zur Malerei entstand bei uns schon in der Kindheit", sagt Evgine Posin.

Die technischen Fähigkeiten und kunsthistorischen Kenntnisse haben die Brüder sich in jahrelangem Studium an der Leningrader Kunstakademie angeeignet. Als Handwerker, die ein Bild "Strich für Strich kopieren", verstehen er und seine Brüder sich nicht. Um der Fälschung wirklich Seele einzuhauchen, müsse man sich den Pinselstrich, das Tempo, die Launen des Meisters zu eigen machen. "Es ist ein bisschen wie Schauspielerei", erklärt Posin.

Als Besucher des "Kunstsalons Posin" kann man sich lebhaft vorstellen, wie der 52-Jährige mit dem langen dunklen Haar und dem Jesusbart, der da auf dem kleinen Ledersofa pfeiferauchend über die Kunst des Fälschens philosophiert, sich nachts in seinem Atelier in den echten Vincent van Gogh verwandelt. Nicht immer sind die Rollen der großen Meister leicht zu spielen. Für die wilde Pinselführung von Pizarro habe er drei Wochen gebraucht, erzählt Evgine Posin. "Aber als ich es dann raushatte, war das Bild an einem Tag fertig."

Aber manchmal malt ein Posin auch einen Posin. Derzeit bereiten die Brüder eine Ausstellung mit eigenen Bildern vor. Außerdem geben die Posins Unterricht. Im hinteren Raum ihrer Galerien finden sich viermal in der Wochen Kunststudenten, Hobbymaler und Anfänger ein. Die meisten von ihnen sind, so wie die 31-jährige Katja Popilewsky der Meinung, "dass man nirgends so viel lernen kann wie bei den Posins". Die lächeln bei solchen Komplimenten - und fälschen munter weiter, erfolgreich und ganz legal.
 

Maria Neuendorf

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