Drei russische Maler haben sechs Jahre lang die Mona Lisa von Leonardo da Vinci kopiert. Nun hängt das Bild in ihrem Neuköllner Atelier, genauso wie im Pariser Louvre
"Um die Mona Lisa zu sehen, muss man ab jetzt nicht mehr bis nach Paris fahren. Es reicht, wenn man bis Neukölln fährt." Das sagt Michail Posin. Der hagere Russe mit Rauschebart und schwarzem Schlapphut sitzt in seinem Atelier und rauch seinen Tabak in der Zigarettenspitze. Er ist ein Original. Neben ihm sitzen seine Brüder Semjon und Evgeni. Auch sie sind Originale mit langen Bärten. Alles andere im "Kunstsalon Posin" ist Kopie. Die drei Männer, die im ehemaligen Leningrad Malerei studiert haben, sind Kunstfälscher. Und ihre Version von Leonardo da Vincis "Mona Lisa" ist ihr ganzer Stolz.
Mitten im Raum hängt sie, umgeben von einem massiven Goldrahmen auf dunkelrotem Samt, eingesperrt in einem grau gestrichenen Holzkasten mit Glasfenster. "Genau so ist im Louvre", weiß Evgeni. Dort habe man zwar Panzer- statt Plexiglas, aber ansonsten stimme alles. Damit meint der Maler vor allem das Bild: eine große, wenn nicht die grö0te Herausforderung für jeden Fälscher. "Leonardo ist ein zu perfekt und die Mona Lisa wohl da beste Bild in der Kunstgeschichte", sagt Evgeni voll Hochachtung.
Sechs Jahre haben die Brüder das Bild studiert, sind nach Paris gefahren, haben den Pinselstrich geübt, die Geometrie da Vincis erforscht und versucht, sich in die Renaissance zurückzuversetzen. "Es kann alles stimmen, und es ist trotzdem noch keine Mona Lisa", erklärt Michail und weist etwas verächtlich auf Kopierversuche anderer Fälscher; "Nachmalen ist die eine Sache, wir wollten die Stimmung fälschen", pflichtete Evgeni ihm bei. "Wir haben viel diskutiert. Und wenn wir uns zu uneinig waren, sind wir wieder nach Paris gefahren", grinst Michail. Bis sie auf einmal stimmte, die Stimmung.
Nun hängt sie da, Mona Lisa, und lässt ihren intensiven Blick über weitere Kopien von van Gogh, Monet und Pissarro schweifen. An Letzterem hat Evgeni lange geknabbert. "Um ein Bild zu fälschen, musst du dich in den Maler hineinversetzen, seinen Pinselstrich trainieren", erklärt Evgeni. Er habe wochenlang Pissaros Strich geübt und dann in wenigen Stunden seine Werke kopiert. "Die Impressionisten haben schnell gemalt, also müssen wir auch schnell malen," so Evgenis Prinzip.
Auslöser für die Fälscherkarriere der drei Brüder war ein Seminar an der Kunstakademie in Leningrad. Titel: "Alte Meister kopieren". Sie blieben dabei. Seit 1987 kopieren sie gemeinsam in Neukölln. Mit Zertifikat. Wer im "Kunstsalon Posin" eine Kopie ersteht, macht sich nicht strafbar. Die Preise für eine Fälschung liegen zwischen 500 und 2.000 Euro. Bei der Mona Lisa sind sich die Posins noch nicht sicher. Eigentlich sei die Kopie unbezahlbar. Wie das Original.
ULRIKE HEIL