FOCUS vom 20.09.2010
Die Finten der
Fälscher
...
Die überwältigende Mehrzahl der unechten Kunst,
die dem Kunsthandel angeboten wird, ist jammervoll dilettantisch. Wirkliche
"Meisterfälscher" sind rar. In Berlin-Neukölln arbeiten als offizielle
Kopisten, die das Wort " Fälscher" nur ironisch gebrauchen, die Brüder Posin,
drei Russen, die in den 1970er-Jahren noch die strenge Leningrader Akademie
durchlaufen haben.
Die Posins, Enthusiasten der europäischen Kunst, seit sie als Kinder in
Sibirien die ersten Kunstpostkarten zu sehen bekamen, sind wahrscheinlich die
besten Nachschöpfer Deutschlands. Sie lieben alles, und sie können einfach
alles:
Leonardos "Mona Lisa", Rembrandt, El Greco, die Impressionisten, die so häufig
gefälschten van Goghs und Modiglianis in allen Spielarten, aber auch die
wilden Farbzuckungen Ernst Ludwigs Ernst Ludwig Kirchners.
Im "Kunstsalon Posin", mitten im multikulturellen Neukölln, wo es am
pittoreskesten ist, bestellen Kunstfreunde, denen es um den Anblick geliebter
Werke, nicht um die Geldanlage geht, ihr Wunschbild zu reellen, dem
Arbeitsaufwand angemessenen Preisen. Und das alles im Licht der
Öffentlichkeit, korrekt nach den Geboten des Urheberrechts. Sich Kopien in
Haus zu holen, noch im 18. und 19. Jahrhundert gang und gäbe, wird im heutigen
Kunstbetrieb scheel angesehen. Aber wer über den Schatten des Vorurteils
springt, kann anhand der perfekten Posin-Schöpfungen "Fälschungs"-Genuss ohne
Reue ausprobieren.
Dr. Christoph Stölzl
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