"Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 01.10.09

Kopisten finden ihre Meister
Jeder kann sich einen Rembrandt aus der Hand der Brüder Posin an die Wand hängen

Leonardo da Vinci, Vincent van Gogh, Auguste Renoir – die alten Meister kennt jeder. Die Brüder Posin kennen sie besonders gut, denn sie verstehen es meisterhaft, sie zu kopieren. Doch davon hören die Künstler nicht gern. „Wir wollen nicht nachmalen, wir wollen die Stimmung der Bilder einfangen“, sagt Eugen, ein diplomierter Kunstmaler. „Jedes Bild von uns trägt die Seele des Künstlers in sich“, erzählt Michael. „Man muss denken wie der Maler“, ergänzt Semjon Posin, der älteste der drei Brüder. Letzteres ist bei einer Arbeit der Künstler besonders wichtig: dem Malen von verschollenen oder auch nicht vollständig erhaltenen Gemälden.

„Die Idee vom Kunstsalon entstand im Laufe der vielen Jahre als Maler“, erzählt Michael. Er, Semjon und Eugen sind sozusagen mit dem Pinsel in der Hand geboren worden. Alle drei Brüder malten leidenschaftlich gern und studierten an der Akademie der Künste in Leningrad. Dort begann die Karriere der drei Brüder mit einem „Kopier-Kurs“. Seit 1987 betreiben sie ihr Kunsthandwerk in Berlin. 2001 eröffneten sie ihren 200 Quadratmeter großen Kunstsalon mitten in Neukölln. Das Startkapital brachten sie selbst ein. Der Salon wird allerdings erst abends geöffnet, sodass er bei Tageslicht recht unscheinbar wirkt. Als Besucher kann man, dicht an dicht, Werke aus fünf Jahrhunderten Kunstgeschichte besichtigen. „Es gibt keinen Künstler, den wir nicht malen können“, sagt Semjon Posin.

In Deutschland gibt es kaum Konkurrenz. Lediglich einzelne Kopisten wie der Hamburger Rainer Plener haben das einstige Hobby zum Beruf gemacht. Weltweit berühmt wie die Gebrüder Posin ist aber Daniele Dondé, der zurzeit in Lugano lebt und arbeitet.

Die 4,30 mal 3,30 Meter große Nachtwache von Rembrandt war wohl das größte Gemälde der drei Brüder. Für 100000 Euro wurde das Kunstwerk mit mehr als 50 anderen Gemälden an das Seehotel im brandenburgischen Großräschen verkauft. Die Brüder Posin malen auch kleinere Gemäldeduplikate, deren Preise zwischen 500 und 2500 Euro liegen. „Im Prinzip ist aber nach oben keine Preisgrenze gesetzt“, sagt Michael. „In letzter Zeit werden mehr größere Bilder bestellt“, ergänzt Eugen. Der zweite Faktor für den Preis ist die historische Epoche, in der das Bild gemalt wurde. So sind Bilder von Impressionisten preiswerter als Bilder des Barock. Eugen meint dazu: „Impressionisten haben schnell gemalt, also malen wir ihre Werke auch schnell.“

Im Jahr verkauft der Kunstsalon etwa 80 Gemälde. Diese bilden auch den Hauptumsatz mit 100000 bis 150000 Euro im Jahr. Auftraggeber und Käufer sind vorrangig Privatpersonen, Freiberufler und Unternehmen, etwa Gerold Schellstede, Investor des Fälschermuseums Posin im Seehotel Großräschen, das sich in der gerade entstehenden Lausitzer Seenlandschaft befindet. Das Museum wurde im August 2007 eröffnet und zählt bis heute schon mehr als 40000 Besucher. „Wer hat denn die Gelegenheit, nach Madrid, nach Amsterdam, nach Paris zu fliegen? Wir haben gesagt: Gut, wir bringen hier mal ein bescheidenes Fälschermuseum, wo jeder in der Lage ist, zwar Fälschungen, Kopien zu sehen, die aber dem Original doch sehr nahe sind“, sagt Schellstede. Hauptanziehungspunkt ist die von den Brüdern rekonstruierte Nachtwache. Rekonstruiert, weil Teile des Originals im 18. Jahrhundert abgeschnitten wurden. Die Brüder haben das vollständige Gemälde nach einer alten Kopie nachgebildet. Die Arbeit daran hat zwei Jahre gedauert. Für diesen Rembrandt schoben die drei Brüder Nachtschichten. „Wir malen zwar gemeinsam, aber nie gleichzeitig“, erklärt Semjon. „Jeder braucht seine ganz eigene Stimmung. Wenn die Seele nicht zu dir spricht, wenn es keinen Kontakt zum Bild gibt, sollte man besser schlafen gehen.“ Weniger bekannt und genutzt wird die Möglichkeit, Skulpturen anfertigen zu lassen. Seit Eröffnung des Kunstsalons im Jahr 2001 wurden lediglich acht Skulpturen im Preis von 2000 bis 2500 Euro verkauft. Semjons Begründung: „Sich als Skulptur oder überhaupt eine Skulptur im Wohnzimmer – absolut unvorstellbar.“ Besucher des Kunstsalons können sich aber auch porträtieren lassen. Haupteinnahmequelle bleiben jedoch die Kopien berühmter Gemälde.

„Wir hatten im Jahr 2008 einen Umsatz von ungefähr 150000 Euro“, erzählt Michael. „Das reicht aus, um leben zu können, ab und zu in Urlaub zu fahren und mal etwas kaufen zu können.“ Die Materialkosten sind gering: Bei kleineren Bildern müssen etwa 100 Euro für die Leinwand und den Rahmen bezahlt werden. Größere Exemplare erfordern höhere Ausgaben von bis zu 2000 Euro. Für Kopien der alten Meister mischen sich die drei Brüder die Farben selbst. „Es hängt ganz von der Farbenvielfalt der Bilder ab, welche Sorten wir kaufen“, erzählt Semjon. Das ist bei den alten Meistern dringend notwendig, schließlich soll das Endprodukt täuschend echt sein. Auch die überwiegend aus Holz gefertigten Rahmen stammen aus eigener Herstellung. Eine 10 mal 2,20 Meter große Leinwandrolle kann je nach Qualität zwischen 90 und 500 Euro kosten. Die Kopien sind legal: „Der Künstler des Bildes muss seit mindestens 70 Jahren verstorben sein, und das Bild muss um einige Zentimeter vom Original abweichen“, sagt Semjon. Sogar die Signatur des Original-Künstlers darf gemalt werden, es muss jedoch auf der Rückseite vermerkt werden, dass es sich um eine Kopie handelt. Für ihre Kopie der Mona Lisa gingen die Brüder Posin sogar in den Louvre, um das Bild genau studieren zu können. „Und wenn wir uns zu Hause mal uneinig über Details waren, sind wir wieder nach Paris gefahren“, erzählt Michael.

Jan Hausdorf
Friedrich-Engels-Gymnasium, Senftenberg

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