Von Da Vinci
bis Rembrandt: drei Brüder aus Berlin verstehen es meisterhaft, die
großen Maler zu kopieren
Ein Bild nachzumalen, das ist nicht schwierig.
Einem Bild eine Seele zu geben schon, sagen Semjon, Evgeni und Michail Posin.
Den drei Brüdern aus Berlin scheint dies perfekt zu gelingen. Ein Sammler hat zu
ihren Ehren sogar ein eigenes Fälschermuseum eingerichtet.
von Birgit Loff, Berlin
Die Lampen des Fliesenladens an der Ecke strahlen
gut sichtbar, die Süßigkeiten in der Auslage der türkischen Bäckerei nebenan
sind hell erleuchtet, nur der abends erst geöffnete Kunstsalon der drei Brüder
Posin liegt nahezu im Dunkeln. Über den Glasfenstern klebt bunte Plastikfolie,
kaum mehr als ein vager Schimmer Licht dringt nach außen. Kenner finden auch so
den Weg in die Wipperstraße im hintersten Berlin-Neukölln, wo das
Kopfsteinpflaster bei Regen glänzt wie auf Gemälden alter Meister.
Im Kunstsalon sind einige Rembrandts ausgestellt, eine Infantin von Velazquez,
van Goghs Sonnenblumen - und mehrere Großstadtbilder des Expressionisten Ludwig
Kirchner. Die scheinen regelrecht zu glühen in ihren Goldrahmen an den kräftig
rot gestrichenen Wänden der Galerie. Vor 70 Jahren hat sich Kirchner das Leben
genommen, und erstmals erweisen die Brüder Posin ihm ihre Reverenz. So lange
mussten sie sich schon gedulden, die "drei ehrlichen Fälscher von Neukölln", wie
ein Sammler und Bewunderer sie nennt. Erst 70 Jahre nach dem Tod eines Künstlers
erlaubt es das Gesetz, dessen Werke zu kopieren. Auch müssen die Abbilder etwas
größer oder kleiner sein als das Original und als Kopie gekennzeichnet sein.
Auf einem abgewetzten Ledersofa hat Evgeni Posin Platz genommen und sagt, von
Kopien oder Fälschungen sollte man nicht sprechen, "wir malen die Werke nach".
Bilder seien lebendige Wesen, sie alterten und hätten eine Seele, die es zu
erspüren gelte. Michail und Semjon Posin sitzen daneben. Durch die offene Tür
zum Nachbarraum ist Leonardo da Vincis "Mona Lisa" sichtbar, sie scheint
gelauscht zu haben und zu lächeln bei Evgenis Worten. Sie ist das Meisterwerk
der drei, die alle die Kunstakademie in St. Petersburg absolviert haben. Alle um
die sechzig, könnten sie mit ihrem Kraushaar und den Bärten manchem der
berühmten Maler gut und gerne Modell gesessen haben.
Die Mona Lisa ist das einzige Gemälde, an dem Semjon, Evgeni und Michail jemals
gemeinsam gearbeitet haben. Mehrfach sind sie dafür nach Paris gereist, haben
zahllose Stunden mit der Schönen verbracht. So kommt es, dass die Gioconda
unverkäuflich ist. Wer sie dennoch besitzen will, erhält nur eine Kopie vom
Abbild. Auch Leonardo da Vinci hat sich von diesem Bild nicht trennen mögen.
Die Kunden des Kunstsalons sind Geschäftsleute, Anwälte oder Ärzte, selbst aus
den USA und Japan gehen Bestellungen ein. Insbesondere nachts stehen die Brüder
an ihren Staffeleien, dann können sie besser in ihre Arbeit versinken. "Gleich
die Oberfläche wiederzugeben bringt nichts", sagt Michail. "Du musst dich
hineinversetzen in den Künstler und in die Zeit und das Bild so malen, wie es
ausgesehen hat, als es gerade fertig war. Dann kommt die Patina, und wenn das
Bild am Ende nicht strahlt, war alles umsonst."
Verblüffend gut gelingt es dem Trio, die Stimmung eines Originals
nachzuempfinden. Die Preise beginnen bei 500 Euro. Mit manchen Gemälden können
sich die Brüder nicht ununterbrochen beschäftigen, wenn sie gelingen sollen. So
dauerte es bei Rembrandts etwa 4,30 mal 3,30 Meter großer "Nachtwache" zwei
Jahre bis zur Vollendung, und der Auftraggeber Gerold Schellstede bekennt, er
sei "am Schluss doch noch ungeduldig geworden". Der Geschäftsmann hat in seinem
Hotel in der Lausitz ein "Fälschermuseum" eingerichtet, allein für Bilder der
Brüder Posin. Dort und bei ihm privat hängen inzwischen mehr als 130 Werke mit
ihrer Signatur. Die Brüder restaurieren auch oder rekonstruieren zerstörte
Gemälde. Die "Nachtwache" haben sie nach alten Vorlagen wieder ergänzt, weil
früher einmal die Ränder abgeschnitten worden waren. In dieser Hinsicht ist das
Abbild vollkommener als das Original.
Gelegentlich staunen die drei, wie fließend der Übergang vom Original zur
Verfälschung sein kann, wenn sie zu Studienzwecken durch die Museumssäle
streifen. Manche der kostbaren Exponate sind beschnitten und haben bei
Anschlägen gelitten wie die "Nachtwache". Andere tragen beim Restaurieren oder
Reinigen unwiederbringliche Schäden davon. Wie im Leben generell, müsse man auch
beim Restaurieren "genau wissen, wo man aufzuhören hat", sagt Semjon Posin.
Besonders gefreut haben sich die Brüder, als kürzlich Christoph Stölzl, der
frühere Generaldirektor des Deutschen Historischen Museums, sie besucht und ihre
"Mona Lisa" als "täuschend echt" gewürdigt hat. Einmal nur der Gioconda die
Wange zu streicheln, das scheint Stölzls Traum gewesen zu sein. Die Brüder Posin
sind keine eifersüchtigen Drachen. Sie haben es ihm erlaubt.