"Stuttgarter Zeitung" vom 20.02.09

Die ehrlichen Fälscher von Neukölln

Von Da Vinci bis Rembrandt: drei Brüder aus Berlin verstehen es meisterhaft, die großen Maler zu kopieren
 

Ein Bild nachzumalen, das ist nicht schwierig. Einem Bild eine Seele zu geben schon, sagen Semjon, Evgeni und Michail Posin.
Den drei Brüdern aus Berlin scheint dies perfekt zu gelingen. Ein Sammler hat zu ihren Ehren sogar ein eigenes Fälschermuseum eingerichtet.

 

von Birgit Loff, Berlin

Die Lampen des Fliesenladens an der Ecke strahlen gut sichtbar, die Süßigkeiten in der Auslage der türkischen Bäckerei nebenan sind hell erleuchtet, nur der abends erst geöffnete Kunstsalon der drei Brüder Posin liegt nahezu im Dunkeln. Über den Glasfenstern klebt bunte Plastikfolie, kaum mehr als ein vager Schimmer Licht dringt nach außen. Kenner finden auch so den Weg in die Wipperstraße im hintersten Berlin-Neukölln, wo das Kopfsteinpflaster bei Regen glänzt wie auf Gemälden alter Meister.

Im Kunstsalon sind einige Rembrandts ausgestellt, eine Infantin von Velazquez, van Goghs Sonnenblumen - und mehrere Großstadtbilder des Expressionisten Ludwig Kirchner. Die scheinen regelrecht zu glühen in ihren Goldrahmen an den kräftig rot gestrichenen Wänden der Galerie. Vor 70 Jahren hat sich Kirchner das Leben genommen, und erstmals erweisen die Brüder Posin ihm ihre Reverenz. So lange mussten sie sich schon gedulden, die "drei ehrlichen Fälscher von Neukölln", wie ein Sammler und Bewunderer sie nennt. Erst 70 Jahre nach dem Tod eines Künstlers erlaubt es das Gesetz, dessen Werke zu kopieren. Auch müssen die Abbilder etwas größer oder kleiner sein als das Original und als Kopie gekennzeichnet sein.

Auf einem abgewetzten Ledersofa hat Evgeni Posin Platz genommen und sagt, von Kopien oder Fälschungen sollte man nicht sprechen, "wir malen die Werke nach". Bilder seien lebendige Wesen, sie alterten und hätten eine Seele, die es zu erspüren gelte. Michail und Semjon Posin sitzen daneben. Durch die offene Tür zum Nachbarraum ist Leonardo da Vincis "Mona Lisa" sichtbar, sie scheint gelauscht zu haben und zu lächeln bei Evgenis Worten. Sie ist das Meisterwerk der drei, die alle die Kunstakademie in St. Petersburg absolviert haben. Alle um die sechzig, könnten sie mit ihrem Kraushaar und den Bärten manchem der berühmten Maler gut und gerne Modell gesessen haben.

Die Mona Lisa ist das einzige Gemälde, an dem Semjon, Evgeni und Michail jemals gemeinsam gearbeitet haben. Mehrfach sind sie dafür nach Paris gereist, haben zahllose Stunden mit der Schönen verbracht. So kommt es, dass die Gioconda unverkäuflich ist. Wer sie dennoch besitzen will, erhält nur eine Kopie vom Abbild. Auch Leonardo da Vinci hat sich von diesem Bild nicht trennen mögen.

Die Kunden des Kunstsalons sind Geschäftsleute, Anwälte oder Ärzte, selbst aus den USA und Japan gehen Bestellungen ein. Insbesondere nachts stehen die Brüder an ihren Staffeleien, dann können sie besser in ihre Arbeit versinken. "Gleich die Oberfläche wiederzugeben bringt nichts", sagt Michail. "Du musst dich hineinversetzen in den Künstler und in die Zeit und das Bild so malen, wie es ausgesehen hat, als es gerade fertig war. Dann kommt die Patina, und wenn das Bild am Ende nicht strahlt, war alles umsonst."

Verblüffend gut gelingt es dem Trio, die Stimmung eines Originals nachzuempfinden. Die Preise beginnen bei 500 Euro. Mit manchen Gemälden können sich die Brüder nicht ununterbrochen beschäftigen, wenn sie gelingen sollen. So dauerte es bei Rembrandts etwa 4,30 mal 3,30 Meter großer "Nachtwache" zwei Jahre bis zur Vollendung, und der Auftraggeber Gerold Schellstede bekennt, er sei "am Schluss doch noch ungeduldig geworden". Der Geschäftsmann hat in seinem Hotel in der Lausitz ein "Fälschermuseum" eingerichtet, allein für Bilder der Brüder Posin. Dort und bei ihm privat hängen inzwischen mehr als 130 Werke mit ihrer Signatur. Die Brüder restaurieren auch oder rekonstruieren zerstörte Gemälde. Die "Nachtwache" haben sie nach alten Vorlagen wieder ergänzt, weil früher einmal die Ränder abgeschnitten worden waren. In dieser Hinsicht ist das Abbild vollkommener als das Original.

Gelegentlich staunen die drei, wie fließend der Übergang vom Original zur Verfälschung sein kann, wenn sie zu Studienzwecken durch die Museumssäle streifen. Manche der kostbaren Exponate sind beschnitten und haben bei Anschlägen gelitten wie die "Nachtwache". Andere tragen beim Restaurieren oder Reinigen unwiederbringliche Schäden davon. Wie im Leben generell, müsse man auch beim Restaurieren "genau wissen, wo man aufzuhören hat", sagt Semjon Posin.

Besonders gefreut haben sich die Brüder, als kürzlich Christoph Stölzl, der frühere Generaldirektor des Deutschen Historischen Museums, sie besucht und ihre "Mona Lisa" als "täuschend echt" gewürdigt hat. Einmal nur der Gioconda die Wange zu streicheln, das scheint Stölzls Traum gewesen zu sein. Die Brüder Posin sind keine eifersüchtigen Drachen. Sie haben es ihm erlaubt.
 

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