WELT  am SONNTAG

Ein von Gogh für nur 800 Euro

Die Brüder Posin stammen aus Sankt Petersburg und sind Kunstfälscher der Extraklasse - WELT am SONNTAG hat sie jetzt in ihrer Galerie besucht

Von Jessica Schulte am Hülse

Fernab von Touristenströmen, Galerien und den bekannten Berliner Museen, mitten im tiefsten Neukölln, liegt ein Kleinod der besonderen Art: der Kunstsalon der Brüder Posin.


Es ist schummrig und verraucht. Doch was es hier, auf zwei Räume im Erdgeschoss verteilt, zu sehen gibt, ist selbst für Kunstexperten verblüffend. Werke aus fünf Jahrhunderten, von Monet, Renoir, Rembrandt, von Goh und da Vinci hängen dicht an dicht auf 200 Quadratmetern. Doch eine Alarmanlage gibt es nicht, in der Wipperstraße 20 hängen nicht millionenteure weltberühmte Bilder an den Wänden, sondern täuschend echte Kopien. Gefälschte Originale nennen die Kenner diese Kunstrichtung. Auf einem altern Ledersofa sitzen die drei Künstler, russischen Originale mit Rauschebart und langem Haar. Sie rauchen Pfeife oder ziehen genüsslich an langen Zigarettenspitzen.


Die Brüder Michael, Evgeni und Semjon Posin sind alle um Mitte 50 und malen schon, seit die denken können. Sie haben alle im ehemaligen Leningrad an de Kunstakademie studiert und versuchen, mit ihrem  grandiosen Talent einen Mittelweg zwischen Kunst und Kommerz zu gehen. Michael: "Jedes Bild von uns trägt die Seele des Künstlers in sich. Das ist das Schwerste und für uns das Wichtigste." Semjon ergänzt: "Wir wollen nicht nachmalen, wir wollen die Stimmung der Bilder einfangen. Wir verkaufen echte Kunst." Was ein Käufer hier erwirbt ist zwar kein Original, kostet aber auch nur einen Bruchteil dessen.

Van Goghs Sonnenblumen gingen nach einer Auktion für 24 Millionen Dollar nach Japan, das gleiche Bild kostet im Kunstsalon 800 Euro. Bedingung für den legitimen Raub: Der Künstler muss mindestens 70 Jahre tot sein und die Kopie muss im Format um einige Zentimeter vom Original abweichen. Auf der Rückseite jedes Bildes ist  vermerkt, wer es kopiert hat und  wann. Wer im Kunstsalon ein Bild kauft, bekommt ein "Echtheitszertifikat" dazu.  Denn es ist schon vorgekommen, dass andere Kopierer den Namen Posin für ihre Werke missbraucht haben. Und über diese Anmaßung ärgern sich die Brüder. Sie bürgen für Qualität.

Absurd, aber die echte Kopie soll durch das Zertifikat gegen die die falsche geschützt werden. Die Arbeiten aus Neukölln sind inzwischen weltweit bekannt. Japaner und Amerikaner bestellen Bilder über das Internet. Die letzte große Arbeit, Leonardo da Vincis berühmtes Abendmahl, ist seit einigen Monaten nicht nur in Mailand, sondern auch in der Schweiz zu Hause.

Die drei Maler nehmen ihre Arbeit äußerst ernst. Manchmal dauert es Tage oder Wochen, bis die richtige Stimmung, das richtige Werkzeug und der richtige Zeitpunkt für ein Bild zusammenkommen. Auslöser für die Kopiersucht der Brüder war ein gemeinsames Seminar während der Studienzeit mit dem Titel: "Alte Meister kopieren". Seit 1987 reproduzieren und verkaufen sie gemeinsam in Berlin. Auf Wunsch kann jedes Bild nachempfunden werden. Preis je nach Zeit. Impressionisten sind billiger als Bilder der Renaissance. Evgeni lächelt: "Impressionisten haben schnell gemalt, also malen auch wir schnell." Aber auch verbrannte oder zerstörte Bilder, von denen heute  nur noch Zeichnungen existieren, können die Brüder Posin, dank ihrer Gabe, sich in die Seele des Malers hineinzuversetzen, wiederauferstehen lassen. Besonders genial ist ihre Idee, Bilder im Stil berühmter Künstler zu malen, die es so gar nicht gibt. So hängt in der Galerie das Porträt eines alten Mannes im Stile Rembrandts. Michael schmunzelt: "Wenn Rembrandt diesen alten Mann porträtiert hätte, hätte er ihn genauso gemalt und nicht anders." Auch kunstversierte Besucher fallen immer wieder auf diese  Stücke der Russen rein. Das Masterpiece im Kunstsalon ist die "Mona Lisa". Sie blickt versonnen und um drei Zentimeter vergrößert aus einem klobigen, grauen  Kasten. Evgeni weiß: "Genau so hängt sie im Louvre.  Nur dass man jetzt nicht mehr nach Paris fahren muss, um sie zu sehen." Die Künstler sind sichtlich stolz auf ihr einziges gemeinsames Werk. Sechs Jahre haben sie an dieser perfektesten ihrer Kopien gearbeitet. Michail erinnert sich: "Wir haben oft diskutiert, und wenn wir nicht einig waren, sind wir nach Paris gefahren und haben sie wieder und wieder angeschaut. So hat das Original uns seine Geschichte erzählt, uns inspiriert." Evgeni zieht an seiner Pfeife und betrachtet verliebt das Werk: " Das Geheimnis des Bildes ist das berühmte Lächeln. Warum  wirkt ihr Lächeln so unergründlich? Die Lösung des Rätsels ist einfach: Die Mona Lisa lächelt gar nicht! Das Bild zeigt eine Frau, die entweder gerade gelächelt hat und die Ausstrahlung des Lächelns noch auf dem Gesicht trägt, oder eine Frau, die kurz davor ist, zu lächeln. " Die drei Brüder sind sich einig, dieses Bild ist unverkäuflich. Es ist ein original Posin.

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